Paleo-Diät auf dem Prüfstand
Paleo-Diät auf dem Prüfstand
Die Paleo-Diät scheint auf dem ersten Blick eine großartige Idee zu sein: Essen sie wie die Höhlenmenschen, um die Krankheiten der Zivilisation zu vermeiden!
Die Logik dahinter ist die, dass unser Körper ein Produkt der Steinzeit ist und obwohl wir nun das Paläolithikum schon eine Weile hinter uns gelassne haben, ist unsere Verdauung noch immer nicht dafür ausgerüstet, um eine wahre Flut an Limonade und Junkfood jeden Tag aufs Neue zu verdauen, ohne davon Schaden zu nehmen. Wenn die Menschen bei der Geburt eine Bedienungsanleitung, für eine optimale Ernährung, an die Hand bekämen, würde Sie die Beschreibung der Paleo-Diät erhalten - so argumentieren die Verfechter dieser Diät seit Jahren.
Und tatsächlich, wenn wir zurück gehen könnten, um zu sehen wie die Menschen lebten und sich ernährten, bevor das Zeitalter der Smartphone, Twitter und Instagram angebrochen war, dann würden wir diese Menschen in ihrer natürlichen Umgebung lebend und sich von dieser ernähren sehen. In dieser Zeit gab es keine Pizza, keine Kartoffelchips, keine Prinzenrolle, dafür aber jeden Menge an wilden Früchten, Gemüse und ab und an mal Fleisch. Ich persönlich kann dem Argument der Paleo-Diät Jünger folgen, wenn sie sagen, dass wir mehr Obst und Gemüse essen sollten aber mehr Fleisch? Da habe ich meine echten Zweifel.
Die Notwendigkeit Fleisch konsumieren zu müssen ist verstörend, ja total unlogisch - vor allem dann, wenn es sich um rotes Fleisch handelt, das die Paleo-Diät favorisiert, seit bekannt und wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass gerade rotes Fleisch das Risiko für eine Krebserkrankung, Herzkrankheiten, Diabetes Typ II und ein plötzliches Ableben unverhältnismäßig erhöht. Andere Fleischsorten schneiden nicht besser ab, wenn es darum geht, ein erhöhtes Risiko für die soeben aufgezählten Krankheiten zu haben.
Nichts desto trotz wurde die Paleo-Diät seit Jahren nun von Ihren Gläubigern eingeführt als die optimalste Ernährung für einen gesunden Darm und somit für die Gesundheit schlecht hin. Dies alles gründete sich allerdings auf reine Spekulationen und es gab nicht eine Studie die diese Behauptung bestätigte oder eben widerlegte - wie sagt Dr. Greger in seinen Beiträgen immer so schön - bis jetzt!
Eine neue Studie legt in Ihren Schlussfolgerungen nahe, dass eine strikte Einhaltung dieses Ernährungsmusters möglicherweise mehr Schaden dem Darm zufügt, als es nützt.
Diese Australische Studie wurde im Juli diesen Jahres im European Journal of Nutrition veröffentlicht, sie nutzte eine Querschnittstudie um 44 Teilnehmer mit einer Langzeit Paleo-Diät mit 47 Teilnehmern einer Kontrollgruppe, die eine typische, von der australischen Gesundheitsbehörde empfohlenen Ernährungsweise folgten, verglich. Die Paleo Konsumenten wurden nochmals aufgeteilt in eine Gruppe die strikt den Vorgaben der Paleo-Diät folgten und in eine Art pseudo Paleo-Diät-Gruppe. Die Einteilung wurde daran festgemacht, wie nahe die einzelnen Teilnehmer den Vorgaben der Paleo-Diät kamen, keine stark verarbeiten Lebensmittel, Hülsenfrüchte, Korn und/oder Milchprodukte zu verzehren.
Was haben die Forscher heraus gefunden?
Als die Wissenschaftler die Darmbakterien der Studienteilnehmer analysierten fanden sie heraus, dass die Paleo Konsumenten in beiden Gruppen eine ziemlich gleiche Darmflora aufzeigten. Ihre Darmflora unterschied sich aber signifikant von der Darmflora der Teilnehmer in der Kontrollgruppe. Tiefer bohrend identifizierten die Forscher drei spezifische Typen von Darmbakterien, die sich in den drei Gruppen unterschieden: Bifidobakterien, Roseburiabakterien und Hungatellabakterien.
Bifidobakterien und Roseburiabakterien sind Teil einer gesunden Darmflora, denn sie helfen komplexe Kohlenhydrate, wie z.B. Faserstoffe und widerstandsfähiger Stärke, in kurzkettige Fettsäuren, die eine wichtige Rolle für einen gesunden Darm und einen gesunden Körper spielen, zu metabolisieren. Sie bilden die Hauptbarriere gegen das Leaky-Gut-Syndrom (löchriger Magen-Syndrom), unterdrücken pathogene und unterstützen entzündungshemmende Mikroben. Sie stimulieren die Ausschüttung von Hormonen, regulieren das Immunsystem, kontrollieren die Verdauung und haben sogar Einfluss auf unsere Stimmung.
Vorherige Studien haben herausgefunden, dass Bifidobakterien schützend gegen das Reizdarmsyndrom und Übergewicht wirken. In dieser Studie waren Bifidobakterien signifikant reichhaltiger im Darm der Kontrollgruppe zu finden und praktisch nicht vorhanden in den Paleo-Gruppen. Das sind echt schlechte Nachrichten für die Paleo-Diäter.
Roseburiabakterien haben gezeigt, dass sie positiv auf entzündliche Darmerkrankungen wirken, wie z.B. Morbus Crohn und Colitis Ulzerosa. Und wieder hatte die Kontrollgruppe signifikant mehr Bakterien dieser Art in ihrer Darmflora aufzuweisen als die Paleo-Konsumenten. Es gab zwar einen kleinen Unterschied zwischen der strikten Paleo Gruppe und der eher lockeren Paleo-Gruppe, die strikte Paleo-Gruppe hatte noch weniger Roseburiabakterien aber das sagt eigentlich nur aus, dass je länger man die Paleo-Diät konsumiert, desto mehr nehmen die Roseburiabakterien im Darm ab.
Was wiederum schlechte Nachrichten für diese Art der Ernährung sind.
Was ist mit den schlechten oder sagen wir eher unerwünschten Darmbakterien, wie Hungatellabakterien?
Hungatellabakterien sind bekannt dafür, dass sie das Vorläufermolekül für Trimethylamin N-Oxide (TMAO) produzieren. Vor kurzem veröffentlichte Studien haben gezeigt, dass die Anwesenheit von TMAO schlechte Nachrichten für den Träger dieses Stoffes sind. Wenn bestimmte Darmbakterien, wie eben Hungatellabakterien, Carnitine und Choline, die man gewöhnlich in rotem Fleisch, Eigelb und fettreichen Milchprodukten findet, umwandeln, dann produzieren sie den Vorläufer TMA im Darm, welcher dann in der Leber zu TMAO umgewandelt wird. Von da aus kann TMAO verheerende Schäden im gesamten Körper anrichten. TMAO wiederum korreliert positiv mit koronaren Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Nierenerkrankungen, Diabetes Typ 2, und Alzheimer, um nur einige der gefährlichsten Krankheiten zu nennen. Ein erhöhter TMAO Spiegel ist ein unabhängig wirkender Faktor für Todesfälle die mit dem Herz in Verbindung stehen und alle anderen Todesfallursachen auch.
In der zitierten australischen Studie nun hatten die Paleo-Gruppen eine signifikant höhere Anzahl an Hungatella Mikroorganismen verglichen mit der Kontrollgruppe.
Aber führt nun diese erhöhte Hungatella Konzentration in der Paleo-Gruppe wirklich zu einem erhöhten TMAO Level?
Unglücklicher Weise lautet die Antwort eindeutig: JA!
Das Level in der Kontrollgruppe wurde mit 3,9 gemessen, in der pseudo Paleo-Gruppe war es bereits bei 5,5 und in der strikten Paleo-Gruppe war das Level im Durchschnitt sogar bei 9,5. Wieder sehen wir, dass die strikte Einhaltung der Paleo-Diät zu einem schlechteren Ergebnis führt.
Und ab hier wird es eigentlich erst richtig interessant. Es stellte sich nämlich heraus, dass alle drei Gruppen vergleichbar große Mengen an Fleisch verzehrt hatten. Darum stellt sich die Frage, wenn das TMAO Level unmittelbar mit der Umwandlung von Carnitine und Choline durch Hungatellabakterien zur Vorstufe TMA zusammenhängt, und diese Carnitine und Choline hauptsächlich in rotem Fleisch zu finden sind, wieso hat bei gleichem Verzehr die eine Gruppe ein höheres Level TMAO als die andere?
Zusätzliche Analysen offenbarten, dass sowohl die Serum Konzentration des TMAO, als auch die Hungatelle Häufigkeit umgekehrt proportional mit dem Konsum von Vollkorn zusammenhängt. Je mehr Vollkorn konsumiert wird, desto niedriger der Anteil Hungatella und TMAO. Daher liegt die Vermutung nahe, dass das Vollkorn, das die Kontrollgruppe verzehrte, die Hungatellavermehrung unterdrückte, was die Produktion von TMA störte. Das könnte auch erklären, warum die pseudo Paleo-Gruppe, die mehr Getreide konsumierte als die strikte Paleo-Gruppe ein niedrigeres TMAO Level hatte. Der Verzehr von Getreide war ebenfalls signifikant und direkt assoziiert mit einem höheren Level von Bifido- und Roseburiabakterien.
Fazit:
Die Paleo-Diät hat grundsätzlich gute Bestandteile, speziell die Vermeidung von industriell stark verarbeiteten Nahrungsmitteln und Milchprodukten. Aber die Empfehlung der strikten Eliminierung von Vollkorn und Hülsenfrüchten basierte stets auf theoretischen Annahmen, nicht auf wissenschaftlichen Beweisen. Jetzt haben wir jedoch Forschungsergebnisse über die Paleo-Diät die uns zeigen, dass die strikte Einhaltung der Vorgaben dieser Ernährungsweise mit ernsthaften Konsequenzen für die Gesundheit des Darmes und des gesamten Menschen einher gehen. Es ist an der Zeit unsere „guten Darmbakterien“ mit Obst und Gemüse, mit Vollkorn und Hülsenfrüchten, Samen und Nüssen, mit maximaler Abwechslung, in Hülle und Fülle, zu belohnen.
Noch ein letztes Wort zu diesem Trimethylamineoxid - kurz TMAO - und warum es so schädlich für unseren Körper zu sein scheint.
Wenn wir rotes Fleisch, Eigelb und fettreiche Milchprodukte konsumieren, dann interagieren das Carnitin mit unserer Darmflora und bildet Trimethylamin (TMA) die Vorstufe des TMAO. Diese Vorstufe wird in der Leber dann zu TMAO verstoffwechselt. Und es scheint wirklich so, dass TMAO nicht unser Freund ist! Denn TMAO unterstützt die Bildung von Cholesterin basiertem Plaque in unseren Blutgefäßen, welches diese stark schädigt und zu Herzinfarkten, Schlaganfällen und in deren Folge zum Todesfall führen kann. TMAO hindert auch unseren Körper an der Ausscheidung von Cholesterin. Und, als ob das nicht schon ausreichend wäre, spielt TMAO auch eine Role beim Tod durch Prostatakrebs.
Es gibt aber, wie immer, auch gute Nachrichten!
Menschen, die eine rein vollwertige, pflanzenbasierte Ernährungsweise haben bilden nur sehr wenig TMAO aus. Das geht soweit, dass, wenn Forscher Veganern Steaks zu essen geben, sich dann so gut wie kein TMAO bildet.
Jetzt könnten schlaue Leser auf die Idee kommen und sagen: Ok, wenn ich also vollwertige, pflanzenbasierte Nahrung konsumieren, dann ist es völlig Gefahrenfrei für mich, wenn ich ab und an mal ein Steak esse. Denn ich bin ja, laut der Studie vor TMAO geschützt.
Sorry, aber es scheint so nicht zu funktionieren. Denn die Billionen an Darmbakterien, deren Zusammensetzung um genau zu sein, verändern sich ziemlich schnell. Tatsächlich können starke Veränderungen in der Zusammensetzung innerhalb von einem oder zwei Tagen geschehen.
Insbesondere, wie im oberen Text bereits erwähnt, wird TMAO nicht nur aus Carnitin hergestellt, sondern auch aus Cholin - das in größeren Mengen in Hühnerfleisch, Fisch und Milchprodukten, in geringeren Mengen sogar in Pflanzen, wie Sojabohnen, Gemüse, Nüssen enthalten ist. Cholin ist Strukturell dem Carnitin des roten Fleisches ähnlich und wird ebenfalls mittels Darmbakterien und der Leber zu TMAO umgewandelt.
Obwohl unser Körper kein Carnitin mit der Nahrung aufnehmen muss, es somit nicht essentiell ist, da der Körper es aus den essenziellen Aminosäuren Methionin und Lysin selbst hergestellt werden kann, müssen wir Cholin mit der Nahrung aufnehmen. Hm, da stellt sich doch die Frage. Wie können wir das essentiell benötigte Cholin konsumieren ohne gleichzeitig die TMAO Produktion zu steigern? Die Antwort erscheint in einer Art Ritterrüstung zu liegen. Wenn wir eine pflanzenbasierte Nahrung konsumieren, dann wird diese von Darmbakterien zersetzt (die sich davon ernähren, wie z. B. Bifido- und Roseburiabakterien) die eben keine Vorstufe des TMAO bilden. Also, obwohl wir Cholin mit der pflanzlichen Nahrung aufnehmen, ist unser von der pflanzlichen Nahrung herrührender Schutz aktiv, wie eine Ritterrüstung eben, und hält uns praktisch frei von der TMAO Produktion.
Ich finde, allein das ist schon mehr wie ein Grund sich für eine vollwertige, rein pflanzenbasierte, fettarme Ernährungsweise zu entscheiden.