Wie viel verbessert die Chemotherapie das Überleben?
Inspiriert durch einen Beitrag von Dr.Michael Greger, nutritionfacts.org , July 27, 2022
Wenn Sie alle neuen Chemo-Medikamente zusammenstellen, die über ein Dutzend Jahre zugelassen wurden, beträgt der durchschnittliche Gesamtüberlebensnutzen nur 2,1 Monate.
Obwohl wir oft hören, dass neue Krebsmedikamente als bahnbrechende, neue Medikamente beschrieben werden (mit denen nun aber wirklich alle Krebsarten sofort und nachhaltig behandelt und geheilt werden können – sarcasm off), bieten die meisten viel bescheidenere Vorteile. In meinem vorherigem Beitrag habe ich einen Leitartikel im Journal of the National Cancer Institute zitiert, der darauf hindeutet, dass die meisten neuen Krebsmedikamente klinisch überhaupt keine aussagekräftigen Vorteile bieten. Werden sie dann zumindest wieder vom Markt genommen, wenn sie sich in der Anwendung und späteren Überprüfung als unwirksam erwiesen haben? Nein!
Selbst wenn Post-Market-Studien zeigen, dass die neuen Medikamente im Vergleich zu älteren Medikamenten keinen klinisch sinnvollen Nutzen haben, jedoch aber im Vergleich zu nichts – z.B. im Vergleich zu einer Zuckerpille – einen Nutzen aufweisen konnten, behalten die meisten Chemo-Medikamente die FDA-Zulassung und bleiben auf dem Markt, selbst zu den gleichen lächerlichen aber meist horrenden Preisen.
Tatsächlich verbesserte das teuerste Medikament, das sie untersuchten, welches 169.836 Dollar pro Jahr in den USA kostete, das Gesamtüberleben überhaupt nicht und verschlechterte sogar die Lebensqualität. Das sind 169.000 Dollar, nur damit Sie sich schlechter fühlen, ohne dass Sie davon profitieren. Warum einen Cent für eine Behandlung bezahlen, die nicht wirklich hilft?
Und selbst wenn sie das Überleben verbessern, was bedeutet das eigentlich? Derzeit geht der Trend dahin, dass Big Pharma große Studien entwickelt, die statistisch signifikante, aber oft triviale Unterschiede in den Überlebensendpunkten erkennen können. Schauen Sie sich zum Beispiel diese berühmte Studie an. Dias Hinzufügen eines zweiten Medikaments (Erlotinib) zu Gemcitabin, für fortgeschrittenen Bauchspeicheldrüsenkrebs verlängerte das Gesamtüberleben signifikant.
Ja, sie litten unter mehr Nebenwirkungen, aber hej, wir sprechen nicht nur von Tumorschrumpfung – sie lebten deutlich länger. Die Placebo-Gruppe überlebte ganze 5,91 Monate, während die Patientengruppe mit dem zusätzlichen Medikament, mit all den zusätzlichen, schrecklichen Nebenwirkungen immerhin…6,24 Monate überlebte.
Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen…..
Sie lebten nur ein Drittel eines Monats länger; das sind nur ganze 10 Tage.
Alle diese zusätzlichen Nebenwirkungen und zusätzlichen Kosten für durchschnittlich nur 10 Tage? Ich finde es persönlich eine Frechheit dies als Erfolg der Pharma zu feiern, dies zeugt für mich von tiefster Menschenverachtung!
Deshalb sollten Ärzte nicht den statistischen Jargon – „signifikante Verbesserung des Überlebens“ – verwenden, während sie Patienten über die Vorteile einer neuen Behandlung informieren. Wenn Sie ihren Patienten die Vorteile der Chemotherapie preisen und diese als einzige Alternative zum sofortigen Tod darstellen. Denn wenn Patienten das Wort „Überleben“, im Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose hören, denken sie nicht an „anderthalb Wochen“.
Wenn Sie alle neuen Chemo-Medikamente zusammenfügen, die über ein Dutzend Jahre zugelassen wurden, beträgt der durchschnittliche Gesamtüberlebensnutzen 2,1 Monate.
Ok, zwei Monate sind zwei Monate, das will ich nicht herunterspielen – da der Zeitraum von zwei Monaten natürlich von jedem Menschen anders interpretiert wird.
Aber, immer wieder haben Umfragen gezeigt, dass Patienten viel mehr erwarten. Unglaublicherweise gaben etwa drei Viertel der Patienten mit metastasiertem Lungen- oder Darmkrebs an, nicht zu verstanden zu haben, dass ihre Chemotherapie ihren Krebs wahrscheinlich überhaupt nicht heilen würde.
„Chemotherapie ist und bleibt die vorrangige Behandlungsmethode für Patienten mit matastasierenden Lungen- oder Kolonrektalkrebs. Obwohl die Wirksamkeit sich mit der Zeit verbesert hat, heilt die Chemotherapie nicht und der Vorteil für ein Überleben der in klinischen Untersuchungen gefunden wurde beträgt wird im allgmeinen in Wochen oder wenigen Monaten gerechnet.“
Warum wird der Mehrheit der Patienten das nicht gesagt? Es ist nicht so, dass sie überoptimistisch waren, erklärte der Forscher. Sie waren fälschlicherweise davon überzeugt, dass die Behandlung eine Chance auf Heilung bot, obwohl dies in Tat nicht der Fall war. Das beraubt Patienten der Möglichkeit, die Risiken und Vorteile abzuwägen und ihre eigenen Entscheidungen über ihren eigenen Körper zu treffen.
(In Deutschland ist es sogar so, dass Patienten die eine Chemotherapie ablehnen, dann auch angedroht wird, dass alle anderen Behandlungen abgesetzt und beendet werden, obwohl es, theoretisch, in Deutschland die Therapiefreiheit gibt. Was bedeutet das jeder Patient selbst entscheiden kann welche Therapie und in welchem Umfang er haben möchte.)
Wenn Sie Krebspatienten fragen, wollen die meisten mindestens ein halbes Jahr länger leben als die Chemotherapie dauert, um die Nebenwirkungen zu verdauen zu können, was darauf hindeutet, dass die meisten Krebspatienten möglicherweise keine Chemotherapie wählen würden, wenn sie wüssten, wie wenig sie tatsächlich davon profitieren würden. Aber natürlich ist jeder Patient anders. Einige Patienten, die sie interviewten, sagten, dass es sich lohnen würde, auch nur eine Woche länger zu leben; während anderer wiederum sagte, dass sie nicht einmal für zwei zusätzliche Lebensjahre eine Chemo machen wollen würden, da sie nicht wollten, dass irgend etwas die Qualität der Zeit beeinträchtigt, die ihnen noch bleibt. So oder so, die Menschen verdienen es, die Wahrheit zu erfahren. Ich finde es bezeichnend, dass Onkologen und Krebskrankenschwestern selbst angesichts der damit verbundenen Toxizitäten weniger bereit sind, eine intensive Chemotherapie zu akzeptieren. Die meisten Chemo-Medikamente sind zytotoxisch, was bedeutet, dass sie Krebszellen abtöten, aber sie töten auch gesunde Zellen, als Kollateralschäden sozusagen ab, weshalb sie unsere Nerven schädigen, irreversible Herzinsuffizienz verursachen, die Darmschleimhaut zerstören oder unser Immunsystem nachhaltig schädigen können. Nichtzuletzt all die gesundheitlichen Folgeschäden die sich erst nach Jahren, nach einer vielleicht überlebten Chemotherapie in der Jugend, dann im Alter einstellen, die niemand mehr erfasst, die niemanden der Pharma interessiert und wo kein Arzt einen Zusammenhang zur Chemotherapie in der Jugend akzeptieren will. (und ich weiß wovon ich hier spreche, aus eigenen Erfahrungen!)
Pharmaunternehmen spielen jedoch nicht nur häufig, sondern immer die Risiken herunter – zum Beispiel beschreiben sie das Brustkrebsmedikament Ribociclib mit „akzeptablen“ Nebenwirkungsprofilen für die meisten Patienten oder dieses Medikament Irinotecan gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs als „überschaubares und meist reversibles Sicherheitsprofil“. Dies waren Studien, die in führenden medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Natürlich würden Leser diese Aussagen für bahre Münze oder eben als wahr ansehen.
Wenn man sich jedoch die Daten tatsächlich ansieht, war die Zahl der schwerwiegenden, sogar lebensbedrohlichen Nebenwirkungen beim neuen Brustkrebsmedikament doppelt so hoch oder sogar fünfmal höher als bei etablierten Medikamenten. Und die „übersehbaren und meist reversiblen“ Nebenwirkungen von Irinotecan bezogen sich offensichtlich nicht auf diejenigen, die durch das Medikament getötet wurden. Immerhin wurde der Auswertung eine „Box“ hinzugefügt in der man lesen konnte.
Box 1:
Terms used to downplay the harms of cancer drugs ans reasons for avoiding them
Acceptable – acceptable to whom? Were the patients asked if the toxicities were acceptable to them?
Manageable – Serious events and deaths can never be considered manageable. Even manageable toxicities incur burden ans decrease patients quality of life.
Feasible – what is the threshold for feasible of a treatment? Will the mention of „the treatment is feasible“ be enough to obtain patients consent to a treatment?
Favourable toxicity profile – Favourable compared with what? Threshold of enduring toxicities and thus favourability is different from patient to patient
Tolerable or well tolerable – only the patient can decide wheter any side effect is tolerable.
Safe – Any cancer treatment that resulted in an treatment related death cannot be considered safe.
Feld 1:
Begriffe, die verwendet werden, um die Schäden von Krebsmedikamenten und Gründe für ihre Vermeidung herunterzuspielen
Akzeptabel – für wen akzeptabel? Wurden die Patienten gefragt, ob die Toxizitäten für sie akzeptabel seien?
Überschaubar – Schwerwiegende Ereignisse und Todesfälle können niemals als überschaubar angesehen werden. Selbst überschaubare Toxizitäten verursachen eine Belastung und verringern die Lebensqualität der Patienten.
Machbar – was ist die Schwelle für die Durchführbarkeit einer Behandlung? Wird die Erwähnung von „die Behandlung ist machbar“ ausreichen, um die Zustimmung der Patienten zu einer Behandlung zu erhalten?
Günstiges Toxizitätsprofil – Günstig im Vergleich zu was? Die Schwelle der anhaltenden Toxizität und damit der Gunst ist von Patient zu Patient unterschiedlich
Erträglich oder gut erträglich – nur der Patient kann entscheiden, ob eine Nebenwirkung erträglich ist.
Sicher – Jede Krebsbehandlung, die zu einem behandlungsbedingten Tod führte, kann nicht als sicher angesehen werden.
Die Frage ist also, wer würde sich für ein Medikament entscheiden, dessen Toxizität nur als machbar beschrieben werden kann? Günstig? Im Vergleich zu was? Erträglich? Das liegt beim Patienten zu entscheiden. Und jede Droge, die Menschen tötet, kann kaum als sicher angesehen werden.
Dennoch können Patienten das Risiko für akzeptabel halten. Bei einigen Krebsarten haben wir enorme Fortschritte gemacht. Hodenkrebs zum Beispiel. Es besteht mehr als eine Chance von eins zu drei, dass eine Chemotherapie es Ihnen ermöglichen würde, mindestens die Fünf-Jahres-Marke zu überleben. Dasselbe gilt für Morbus Hodgkin, eine relativ seltene Form des Lymphoms.
Aber selbst wenn die Forscher versuchen, den Nutzen von Chemotherapie über zu bewerten, scheinen für unsere häufigsten Krebsarten – Darm, Lunge, Brust und Prostata – die Chancen, dass die Chemo das Überleben bis zur Fünf-Jahres-Marke ermöglichen würde, eher bei 1 oder 2 Prozent zu liegen.
Quellen:
- Ocana A, Tannock IF. When are “positive” clinical trials in oncology truly positive? J Natl Cancer Inst. 2011;103(1):16-20.
- Cleeland CS, Allen JD, Roberts SA, et al. Reducing the toxicity of cancer therapy: recognizing needs, taking action. Nat Rev Clin Oncol. 2012;9(8):471-8.
- Fojo T, Mailankody S, Lo A. Unintended consequences of expensive cancer therapeutics—the pursuit of marginal indications and a me-too mentality that stifles innovation and creativity: the John Conley Lecture. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. 2014;140(12):1225-36.
- Garg PK, Jain BK. New cancer drugs at the cost of bankruptcy: will the oncologist tell the patients the benefit in terms of days/weeks added to life? Oncologist. 2014;19(12):1291.
- Silvestri G, Pritchard R, Welch HG. Preferences for chemotherapy in patients with advanced non-small cell lung cancer: descriptive study based on scripted interviews. BMJ. 1998;317(7161):771-5.
- Abola MV, Prasad V. The use of superlatives in cancer research. JAMA Oncol. 2016;2(1):139-41.
- DiMagno SSP, Emanuel EJ. Pricing a year of progression-free survival: when is the cost of cancer drugs unreasonable? JAMA Dermatol. 2019;155(1):15-6.
- Rupp T, Zuckerman D. Quality of life, overall survival, and costs of cancer drugs approved based on surrogate endpoints. JAMA Intern Med. 2017;177(2):276-7.
- Schilsky RL, Schnipper LE. Hans Christian Andersen and the value of new cancer treatments. J Natl Cancer Inst. 2018;110(5):441-2.
- Hutchinson L. Palliative care. Chemotherapy and hope of cancer cure: dying expectations. Nat Rev Clin Oncol. 2012;9(12):668.
- Pawlik TM, Devon KM, Fields CA, Hinshaw DB. What are patients’ expectations about the effects of chemotherapy for advanced cancer? J Am Coll Surg. 2014;219(3):588-90.
Weeks JC, Catalano PJ, Cronin A, et al. Patients’ expectations about effects of chemotherapy for advanced cancer. N Engl J Med. 2012;367(17):1616-25. - Gyawali B, Shimokata T, Honda K, Ando Y. Reporting harms more transparently in trials of cancer drugs. BMJ. 2018;363:k4383.
- Slevin ML, Stubbs L, Plant HJ, et al. Attitudes to chemotherapy: comparing views of patients with cancer with those of doctors, nurses, and general public. BMJ. 1990;300(6737):1458-60.
Morgan G, Ward R, Barton M. The contribution of cytotoxic chemotherapy to 5-year survival in adult malignancies. Clin Oncol (R Coll Radiol). 2004;16(8):549-60. - Moore MJ, Goldstein D, Hamm J, et al. Erlotinib plus gemcitabine compared with gemcitabine alone in patients with advanced pancreatic cancer: a phase III trial of the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. J Clin Oncol. 2007;25(15):1960-6.
- Savage P, Stebbing J, Bower M, Crook T. Why does cytotoxic chemotherapy cure only some cancers? Nat Clin Pract Oncol. 2009;6(1):43-52.